Geruchssinn 1.1

Während des Aufenthaltes an den Küsten und im Süßwasser können Aale nur auf relativ kurze Distanzen und auch nur halbwegs gut sehen. Deshalb orientieren sie sich bei ihrer Suche nach Nahrung bevorzugt mit Hilfe der Seitenlinie und einem weltweit unübertroffenen Geruchssinn.

Die Seitenlinie, als wichtiges Orientierungs- und Ortungsorgan hat allerdings noch weitere Besonderheiten, die in einem gesonderten Beitrag dargestellt werden sollen.

Als Geruchsorgan besitzen die Aalartigen zwei paarige Riechkanäle, deren vordere Öffnungen zapfen- bis rüsselförmig vom Oberkiefer abstehen. Im Gegensatz zu anderen Fischen, liegt die hintere Öffnung der “Nase” aber nicht direkt daneben, sondern jeweils erst kurz vor den weiter dahinter liegenden Augen. Dadurch sind die Aale in der Lage sozusagen stereoskopisch zu riechen.
Die eigentliche Geruchswahrnehmung erfolgt letztlich mit dem sog. Jakobsonschen Organ, welches sich, wie bei Schlangen und Reptilien auch, im Rachen der Aale befindet.

Dies, sowie eine äußerst hohe Anzahl an Geruchsrezeptoren, machen Aale zu echten Weltmeistern unter den Schnüfflern. Kein anderes Geschöpf der Erde, auch nicht der Hund, ist in der Lage, derart geringe Duftspuren zu wittern.

Aalnase
Aalnase

Beispiel: Wenn man 1 cm³ (ca. obere Ü-Ei-Hälfte voll) Rosenöl mit der ca. 60-fachen Wassermenge des Bodensees vermischen würde, könnte der Aal dies noch wahrnehmen! Damit ist er quasi in der Lage, selbst einzelne Duftmoleküle zu erfassen und ist somit in diesem Punkt den meisten anderen bekannten Lebewesen weit überlegen.

Duftstoffe breiten sich im Wasser natürlich nicht geradlinig „wie am Schnürchen“ aus, sondern verteilen sich vielmehr mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, Konzentration und Intensität in verschiedenste Richtungen zu verschiedenen Zeiten. Dadurch ist es absolut unmöglich einer unter Wasser befindlichen Geruchsquelle auf direktem Wege entgegen zu steuern.

Um dennoch so schnell wie möglich eine frisch gewitterte potenzielle Beute aufzuspüren benutzt der Aal das sogenannte Ausschlussprinzip. D.h. er schwimmt der Duftströmung bzw. dem Geruch zwar entgegen, jedoch nicht unbedingt gezielt bzw. direkt, sondern diagonal. Verliert er dabei irgendwann die Fährte, wechselt er die Richtung um 45° bis 90° und durchquert die Duftspur erneut, bis er sie wiederum verliert. Dies wiederholt er solange, bis er die Quelle auf seinem Zickzackkurs durch die Duftwolke erreicht hat.

Es ist zu bedenken, dass der Geruchssinn der Aale im Verlauf eines Kalenderjahres auch unterschiedlich stark ausgeprägt zu sein scheint. Wahrscheinlicher ist nach meiner Ansicht, dass sich Geruchsstoffe je nach Temperaturverhältnissen unterschiedlich stark auflösen und verbreiten können. So ist bewiesen worden, dass der Aal besonders gut in den Monaten Februar bis April sowie Juli/August riechen kann. Am schlechtesten hingegen von Oktober bis Dezember.

Außer zur Nahrungssuche nutzt der Aal seinen ausgezeichneten Geruchssinn auch zur Orientierung auf kurze Distanzen im Aktionsradius seiner jeweiligen Standorttreue.

In einschlägigen Quellen wird leider immer wieder berichtet oder Meldungen zugelassen, dass Aale mit Hilfe ihres ausgezeichneten Geruchsinns die Laichplätze in der Sargassosee wiederfinden könnten. Dies ist jedoch auf Grund fehlender und entsprechend filigraner sowie unterbrochener Strömungen im offenen Meer/Ozean überhaupt nicht möglich und deshalb logischerweise falsch.

Es ist hingegen allenfalls und mit äußerster Vorsicht denkbar, dass in entgegengesetzter Richtung die Glasaale die an den Küsten und Flussmündungen ankommen um in die Flüsse aufzusteigen, ähnlich wie Lachse „ihren“ Fluss am Geruch erkennen können. Dieses würde jedoch bedeuten, dass eine entsprechende Information genetisch von den Elterntieren mitgegeben werden müsste. Selbst wenn dies praktisch möglich wäre, welche Geruchsinformation sollte das sein? Die Information des Muttertieres oder jene Information des Vatertieres? Geschlechtsspezifisch kann es ja offenbar nicht sein, da die Jungtiere nach heutigem Wissensstand ja Zwitter in Wartestellung bis zum Einwandern in die Flussmündungen sind….

Da Jungaale grundsätzlich von jedem natürlichen Süßwasser angelockt werden, ist diese Frage möglicherweise auch irrelevant. Die Intensität der Lockwirkung ist hingegen nachweislich von Gewässer zu Gewässer verschieden. So hat ein Gewässer mit Trinkwasserqualität definitiv keinerlei Lockwirkung für aufsteigende Glasaale.

Hat die „Verbesserung der Wasserqualität“ und die damit einhergehende Absenkung der in unsren Gewässern vorhandenen Nährstoffe möglicherweise einen negativen Effekt auf die Lockwirkung/Attraktivität unserer Gewässer und ist somit auch als Ursache für die damit einhergehenden zurückgegangenen Aalbestände!?!

Höhere Ph-Werte haben nachweislich eine bessere Lockwirkung auf Aale als geringere. Mit hoher Wahrscheinlichkeit spielen auch ins Wasser abgegebene Duftstoffe älterer Aale bei der Attraktivität eines Gewässers eine wesentliche Rolle.
D.h. je mehr Aale ein Gewässer enthält (und offenbar ernähren kann), um so mehr Jungaale wandern in dieses attraktive Gewässer auch alljährlich auf natürliche Weise, soweit möglich, wieder ein.

Untersuchungen von typischen Beutetieren des Aales und deren chemische Zusammensetzung haben zudem ergeben, dass Aminosäuren in unterschiedlicher Verbindung für die Lockwirkung eines Gewässers ausschlaggebend sein könnten. Ebenso wurde Untersucht, inwieweit bestimmte Duftstoffe als Lockmittel einsetzbar wären.

Mit einer einzigen Ausnahme konnten keine besonderen Lockwirkungen mit den getesteten Aromen festgestellt werden. Einzig der extrem teure Lockstoff aus dem Drüsensekret einer afrikanischen Schleichkatzenart erzielte scheinbar eine nachweisbare Lockwirkung auf Aale. Dazu passend wurde auch untersucht, welche Stoffe eher eine vertreibende Wirkung auf Aale haben. Hierbei konnte neben Dieselbenzin, Ammoniak und diversen Konservierungsmitteln auch Nikotin als Geruch mit einer messbaren Scheuchwirkung auf Aale wissenschaftlich nachgewiesen werden. Insofern sollten jegliche Diskussionen zum Thema Rauchen und Aale angeln eigentlich überflüssig sein.

Floesselaal
Floesselaal

Leider ist die Forschung bisher nicht hinter die Geheimnisse der Fortpflanzung und der damit verbundenen Wanderung in die Sargassosee gekommen und wahrscheinlich wird sie es auch in den nächsten Jahren nicht schaffen all diese Rätsel aus der Ferne zu lösen. Aber hin und wieder gelingt es Forschern und Wissenschaftlern dennoch Teile dieses Mysteriums zu lüften. So war bis Anfang dieses Jahrtausends noch vollkommen ungeklärt, weshalb die Blankaale eines Gewässers/Gewässerabschnitts quasi wie auf Kommando alle gleichzeitig mit ihrer Wanderung in Richtung Sargassosee beginnen. Man fand heraus, dass Aale riechen können, wann die Wanderung losgeht. Dazu hatten die Forscher, wie bereits in früheren Versuchen erfolgreich geschehen, Milchner und Rogner mit Hormonen zur Geschlechtsreife gebracht. Nun setzte man z.B. behandelte Weibchen und unbehandelte Männchen in ein und dasselbe Becken. Sofort begann auch bei den unbehandelten Milchnern die Bildung der Geschlechtsorgane. Mann vermutete dahinter ins Wasser abgegebene Sexualhormone (z.B. Testosteron oder Estradiol), welche eine solche Reaktion hervorrufen könnten. Aber sämtliche Tests diesbezüglich verliefen negativ.

Mit einem 2. Experiment konnten die Wissenschaftler aber immerhin beweisen, dass etwas im Wasser sein musste, was die Reaktion ausgelöst hatte. Nachdem man unbehandelte Aale in ein Becken gesetzt hatte in dem zuvor geschlechtsreife Aale gehalten worden waren, ergab sich die gleiche Reaktion. Es wird vermutet, dass es sich um ein Pheromon handelt, welches der Aal mit seiner sehr feinen Nase über weite Strecken wahrnehmen kann und so alle Blankaale eines Gewässers/Gewässerabschnittes nahezu gleichzeitig mit der Bildung von Geschlechtsorganen anfangen und in Richtung Sargassosee abwandern.

Inwieweit dadurch gewährleistet wird, dass diese Aale zum gleichen Zeitpunkt auch in der Sargassosee zur Fortpflanzung eintreffen oder sich gar Aale aus einem bestimmten Gewässersystem nur untereinander Paaren ist rein Spekulativ.

Momentan sucht das international besetzte Forscherteam noch nach dem geheimnisvollen Duftstoff. Möglicherweise wäre die Entdeckung ein Schlüssel für zukünftige Schutzmaßnahmen zur Erhaltung des europäischen Aals. Mit Sicherheit wäre die Erzeugung Laichreifer Aale damit um einiges leichter und womöglich billiger als es bisher der Fall ist.

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