Als Kind fing James Prosek beim Angeln zufällig Aale. Heute ist er ein renommierter Künstler und Dokumentarfilmer aus Stamford, Connecticut, mit einer besonderen Faszination für Wasserlebewesen – insbesondere für das rätselhafte Leben der Aale. Ihr Wanderverhalten über tausende Kilometer beeindruckt ihn besonders. Dennoch verwendet er Aale als Pinsel oder Stempel für seine Kunst – eine fragwürdige Wahl, wo doch auch ein Seil ausgereicht hätte. Trotzdem ist seine Dokumentation absolut sehenswert.
Als er erfuhr, dass Aale sowohl vorwärts als auch rückwärts mit erstaunlicher Geschwindigkeit schwimmen können und insgesamt äußerst geheimnisvolle Wesen sind, wuchs seine Neugier. Er beschloss, auf eine Weltreise zu gehen, die ihn unter anderem nach Japan, Neuseeland und in die USA führte. Seine Erlebnisse hielt er in einer eindrucksvollen Dokumentation fest.
Gleich zu Beginn seiner Reise traf James auf den legendären „Aal-König“ Ray Turner. Dieser nutzt eine traditionelle Reusen-Technik, bei der er mit Steinplatten und einem Holzgatter einen ganzen Fluss – den Delaware im US-Bundesstaat New York – absperrt. In guten Nächten fängt er so bis zu 1.500 Aale. Die Methode hat er nicht selbst erfunden, sondern von den indigenen Völkern übernommen, die sie bereits vor über tausend Jahren nutzten. Das Wehr an dieser Stelle existiert seit der Kolonialzeit und wird jedes Jahr im Herbst abgebaut und im Frühjahr neu errichtet. Einmal im Jahr setzt Ray das größte gefangene Weibchen unterhalb der Reuse wieder aus, da er glaubt, es könne für etwa 30 Millionen Babyaale sorgen – eine Geste des Respekts gegenüber der Natur.
Im weiteren Verlauf der Dokumentation wird die Wanderung der Aale anschaulich mit der von anadromen Fischarten verglichen.
In Japan standen der Handel, der Konsum und die Forschung rund um Aale im Fokus von Proseks Recherchen. Früher galt der nachhaltige Einzelfang mit Bambusröhren als Kunstform. Doch Überfischung, hoher Konsum und die Zerstörung der Lebensräume führten zum völligen Zusammenbruch der Aalpopulation. Der jährliche Konsum von etwa 130.000 Tonnen (!) Aal in Japan blieb lange unreguliert. Der Versuch, durch den Fang von Glasaalen und künstlichen Besatzmaßnahmen gegenzusteuern, scheiterte – und verschlimmerte die Lage sogar. Eine ähnliche Entwicklung droht auch hierzulande.
Der Wissenschaftler Katsumi Tsukamoto forscht seit 1994 nach den genauen Laichgründen des Japanischen Aals (Anguilla japonica). Er vertritt die Pangea-Theorie, die besagt, dass alle etwa 16 bis 22 Aalarten einst ein gemeinsames Laichgebiet hatten, das erst durch die Kontinentalverschiebung getrennt wurde.
Neuseeland bot vor der Einschleppung von Forellen durch die Engländer ideale Bedingungen für Aale, die dort bis zu 50 kg schwer werden konnten. Heutige Langflossenaale erreichen immerhin noch eine Länge von etwa zwei Metern und ein Gewicht von bis zu 30 kg. Interessanterweise wurden Aale dort gezielt in Forellengewässern eingesetzt, um eine Überbevölkerung kleiner Forellen zu verhindern. Die Dokumentation beleuchtet zudem die enge, fast mystische Verbindung der neuseeländischen Ureinwohner zum Aal. Die sogenannten „Kaitiaki“ – Aalschützer – versuchen, Stadtkindern ihrer Gemeinschaft die kulturelle Bedeutung des Aals näherzubringen und eine Brücke zwischen Mythologie und Wissenschaft zu schlagen. Auch der Einfluss der umweltschädlichen Wasserkraftwerke wird thematisiert.
Ein bewegendes Beispiel für den Wandel im Umgang mit Aalen ist ein ehemaliger kommerzieller Aalfischer, der heute Aale über Wasserkraftanlagen hinwegtransportiert und sie sicher wieder freilässt – ein Sinneswandel aus Dankbarkeit gegenüber dem Tier.
Ein weiteres Thema der Dokumentation ist der sogenannte „Aal-Goldrausch“ im US-Bundesstaat Maine. Seit 1978 ist dort der kommerzielle Fang von Glasaalen erlaubt. In den frühen Jahren konnten Fischer pro Nacht 40 bis 50 kg Glasaale fangen, die damals für etwa 12 $ pro Kilogramm an chinesische Aalmastfarmen verkauft wurden. 2012 lag der Preis jedoch bereits bei 1.300 $ pro Kilogramm – eine mehr als hundertfache Steigerung, die einige Fischer zu Millionären machte.
Obwohl die Dokumentation zunächst behauptet, dass noch nie jemand laichende Aale gesehen habe, wird diese Aussage später korrigiert. Tatsächlich wurden Laichvorgänge bereits mehrfach im Labor beobachtet – nur eben nicht in freier Wildbahn.
Mit einer Laufzeit von nur 45 Minuten bietet die Dokumentation einen beeindruckend umfassenden Einblick in die Welt der Aale – von Wissenschaft und Tradition über Handel und Naturschutz bis hin zu kulturellen Aspekten.