Italienische Wissenschaftler haben ein Modell zur Vorhersage der künftigen Entwicklung der europäischen Aalbestände entworfen. Sie wollen damit die Wirksamkeit der bisherigen und zukünftigen Maßnahmen zur Bestandserhaltung prüfen und bewerten um einem weiteren Rückgang der ökologisch, kulturell und ökonomisch wichtigen Art entgegen zu wirken.
Wasserbauliche und umweltbasierte Veränderungen sowie der menschliche Eingriff durch falsche/fehlerhafte Maßnahmen im Zusammenspiel mit der Überfischung der Aalbestände haben in den europäischen Gewässern zu einem derart drastischen Rückgang geführt, dass der IUCN (Weltnaturschutzunion) den europäischen Aal in der roten Liste als “vom Aussterben bedroht” einstuft.
Dies stellt auch ein sozioökonomisches Problem für viele kleine europäische Fischereibetriebe dar.
Zur Verhinderung eines weiteren Bestandsrückgangs verlangte die Europäische Kommission von ihren Mitgliedsstaaten entweder nationale Bewirtschaftungspläne aufzustellen und zur Genehmigung vorzulegen oder aber den Aalfang einzustellen (Fangverbot). Diese Bewirtschaftungspläne sehen überwiegenden Beschränkungen und Kontrollen für die Fischerei und den Handel in allen Altersstufen sowie ein Auffüllen der Bestände in den Binnengewässern durch Besatz vor.
Wissenschaftlich überprüfbare Messungen zur Wirksamkeit dieser Maßnahmen sind bisher auf Grund der sehr komplexen Lebensweise in Meer und Binnenland nur sehr begrenzt mittels Aal-Monitoring möglich.
Es gibt die unterschiedlichsten lokalen und globalen sowohl natürlichen als auch menschlichen Einflüsse, welche im Detail nicht untersucht werden können. Dieses komplexe Zusammenspiel wiederum macht es sehr schwer, den Erfolg von Schutzmaßnahmen langfristig vorherzusagen.
Zur Überwindung dieses Problems entwickelten die Wissenschaftler ein umfassendes Modell unter Berücksichtigung der kontinentalen und ozeanischen Lebenszyklen des europäischen Aals. Das Modell beschreibt die verschiedenen Faktoren der Populationsdynamik des europäischen Aals. Durch Variation der Faktoren lassen sich unterschiedliche Szenarien zur zukünftigen Populationsentwicklung untersuchen. Hierzu zogen die Forscher u.a. auch Daten über die Bestandsentwicklung zwischen den Jahren 1975 und 2010 unter Berücksichtigung der zuvor ermittelten Einflussfaktoren heran. Für das Modell ergab sich eine Vorhersagemöglichkeit für die Jahre 2010 bis 2100 mit insgesamt 9 verschiedenen Management-Optionen, welche alle eine Kombination aus Besatz mit Glasaalen und Quotierung/Fangbeschränkung für die Bestandserholung als signifikant beinhalten. Als wesentliche weitere Ursache für den Rückgang wurde der Lebensraumverlust durch Querverbauung insbesondere Wasserkraft in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts ermittelt, da die schadlose Abwanderung der Blankaale seit jeher eine unabdingbare Voraussetzung für den Fortpflanzungserfolg darstellt.
Die sich ergebenen Zukunftsprognosen zeigen klar und deutlich, dass ohne die Umsetzung von wirksamen Schutzmaßnahmen (auch in diesem Bereich), der Aal aussterben wird. Die Wissenschaftler warnen deutlich davor, wirksame Schutzmaßnahmen nicht konsequent umzusetzen, andernfalls ist der Bestandrückgang nicht mehr aufzuhalten. Die bisherigen Maßnahmen reichen nach Modelrechnungen allenfalls dazu aus, die Ausrottung der Aale auf das Ende des Jahrhunderts zu verschieben, zu mehr jedoch nicht. Sie schlagen daher vor, die Anzahl der zum laichen ins Meer abwandernden Aale (Blankaale) deutlich zu erhöhen und hierzu die gesetzlichen Grundlagen in der EU zu schaffen.
Nach den Modelberechnungen würde eine Reduzierung der Fischerei auf Blankaale um 50 % eine Bestandsdichte auf dem Niveau von 1990 im Jahr 2100 erreichen. Ein vollständiges Fangverbot für Blankaale würde die Wiederherstellung der Aalbestände auf dem Niveau von 1975 zu Ende des Jahrhunderts bewirken. Beides natürlich nur unter Fortsetzung der bisherigen Maßnahmen.
Um den historischen Überfluss beim Glassaalaufstiegt, welcher sogar deren Verzehr in westeuropäischen Ländern möglich machte, ohne dass dies einen Einfluss auf die Gesamtpopulation hatte, nachhaltig wiederherzustellen sind jedoch weitere Maßnahmen auf allen Ebenen erforderlich.
Beispielsweise ein EU-weites Verzehrverborte für Glasaale und deutlich höhere Strafen für illegalen Glasaalfang und Glasaalhandel.