Rückblick 2007 – August: Der Aal und sein Gehör – oder “Musik nur wenn sie laut ist”?

Im Jahr 2006 wurde von australischen Forschern ein ca. 380 Millionen Jahre altes Fossil eines Fisches entdeckt, welcher zu Lebzeiten offenbar so etwas wie Ohren und Gliedmaßen hatte. Dieser Fund gilt als Bestätigung, dass Fische, bevor sie das Land in Übergangsformen eroberten, äußerlich gut erkennbare Ohren hatten.

Die meisten Fische unserer Gewässer haben zwar keine solchen Ohren mehr, können aber dennoch gut bis sehr gut Töne im Wasser wahrnehmen.

Menschen und Säugetiere besitzen zum Hören, neben den äußerlich sichtbaren Ohren vor allem ein Trommelfell, welches die Schallwellen (ca. 16 bis 16.000 Hz beim Menschen) über die Gehörknöchelchen (Amboss, Hammer und Steigbügel) an das Innenohr (Labyrinth) weiterleitet.

Fische haben jedoch weder äußere Ohren noch ein solches Trommelfell.

Den meisten Fischen dient deshalb ihre Schwimmblase als Resonanzkörper.

Zur Weiterleitung von Schallwellen an das Innere Ohr, eine mit Lymphe gefüllte Blase, dient der sog. Webersche Apparat, welcher, wie bei den Säugetieren, aus kleinsten Knochen besteht.

Der Aal stellt hier natürlich wieder einmal eine Ausnahme dar. Denn während alle Karpfenartigen, die Salmlerartigen, die Welsartigen und die meisten heutigen Meeresfische diese Verbindung zwischen Resonanzkörper und Innerem Ohr haben, fehlt der Webersche Apparat bei den Aalartigen vollständig. Damit fehlt die wichtigste Voraussetzung für gutes Hören.

Oberhalb von etwa 600 Hz nimmt das Wahrnehmungsvermögen der Aale rapide ab. Wird das innere Ohr vollständig blockiert, sinkt diese Hörgrenze auf ca. 400 Hz. Daraus lässt sich schließen, dass der Aal mit seinem Gehör gerade mal einen Frequenzbereich von ca. 200 Hz abzudecken vermag. Der Mensch hingegen einen Bereich von fast 16.000 Hz. Ein Mensch mit dem Hörvermögen eines Aals, hätte also gegenüber dem Normalzustand einen Hörverlust von ca. 99 % zu verzeichnen. Er wäre also taub.

Der Aal kann somit, was sein reines Hörvermögen mittels Ohren angeht, im Vergleich mit anderen Fischen, quasi ebenso als nahezu taub bezeichnet werden.

Dennoch ist er auch ohne seine Ohren in der Lage, Schallwellen im begrenzten Maß wahrzunehmen.

Im Wasser breitet sich der Schall ca. 4- bis 5-mal schneller aus, als in der Luft. Das heiß aber nicht, dass Fische besser hören können und schon gar nicht, dass Lärm außerhalb eines Gewässers von Fischen gehört wird. Denn Schallwellen werden beim Übergang von Luft ins Wasser nahezu vollständig reflektiert.

Selbst wenn Töne direkt unter Wasser erzeugt werden, ist es für Fische nicht möglich, diese Töne klar und deutlich zu hören, weil diese Schallwellen durch das ständig in Bewegung befindliche Wasser, durch den Grund, die Oberfläche und durch Temperaturschichten (z.B. Sprungschicht) viel zu oft gebrochen oder reflektiert werden.

Meeressäuger wie Wale und Delphine haben dieses Problem durch ständigen Frequenzwechsel gelöst und können sich auf diese Weise sogar über weite Strecken miteinander verständigen.

Jeder, der ein Aquarium hat, kann folgendes selbst ausprobieren. Man kann die meisten Fische anbrüllen so laut, hoch und tief man will, es stört sie offenbar nicht im Geringsten. Klopft man hingegen nur leicht an die Scheibe, sind eindeutige Fluchtreaktionen zu beobachten.

Das liegt aber nicht vorrangig daran, dass den Fischen das Klopfen zu laut ist, sondern weil sie noch ein anderes Organ besitzen um Schwingungen aufzunehmen.

Die Seitenlinie.

Die Seitenlinie führt etwa mittig entlang der Körperseiten vom Kopf bis zum Schwanz und besteht eigentlich aus mehreren gleichartigen Sinnesorganen. Es handelt sich dabei um deutlich erkennbare Porenöffnungen (Vgl. Bild) zwischen den Schuppen, die zu einer dicht dahinter liegenden, mit gallertartiger Lymphe gefüllten, Röhre führen, in der sich sehr viele Haarsinneszellen befinden. Diese feinen Haarsensoren erfassen extrem schnell jegliche Bewegungen im Wasser und leiten die Signale an das Gehirn weiter, welches daraus z.B. Größe, Art, Standort oder Quelle ermitteln kann. Nur so ist es z.B. einem Sardinenschwarm möglich, sich wie ein einziges Lebewesen zu verhalten.

Da diese Seitenlinie auch beim Aal vorhanden ist, kann er mit ihr Strömungen, Schwingungen, Druckwellen und im begrenzten Maße auch Schallwellen wahrnehmen. Insbesondere tiefe Frequenzen unter 150 Hz können auf diese Weise vom Aal erfasst werden.

Der Aal kann also tiefere Töne weniger hören sondern „spürt“ diese vielmehr.

Insgesamt ist der Aal nur in der Lage Tonintervalle von einer Oktave zu Unterscheiden.

Das heißt, er ist z.B. nicht im Stande, Musik oder Gesang als solches wahrzunehmen. Nicht einmal, wenn es Unterwasser präsentiert werden würde. Der Mensch ist zwar in der Lage in einer guten Bassstimme Töne bis zu 85 Hz zu erzeugen, die nächsthöhere Oktave wäre jedoch zu diesem Wert 170 Hz. Und diese Tonlage könnte der Aal wiederum kaum noch mit der Seitenlinie wahrnehmen. D.h. da könnten sämtliche Fischerchöre der Welt am Ufer und im Wasser stehen und sich die Seele aus dem Leib singen, der Aal würde nur ein monotones brummen vernehmen.

Es gibt Vermutungen, dass Aale noch weitere Möglichkeiten bzw. Organe haben könnten, mit dehnen sie Schallwellen in anderen Frequenzbereichen wahrnehmen. Zudem scheint sich das Hörvermögen der Aale mit fortschreitendem Alter zu verändern.

Weshalb lernt man denn aber eigentlich, sich am Wasser ruhig zu verhalten?

Zunächst, weil es sich so gehört und die meisten Fische in der Lage sind recht gut zu hören.

Ruhig heißt beim Aalansitz in erster Linie nicht herumzuspringen oder zu trampeln. In zweiter Linie aber ebenfalls nicht herum zu lärmen. Das mag der Aal zwar nicht hören, aber es hat doch recht negative Folgen für andere Gewässerbewohner und macht einen sehr schlechten Eindruck auf andere Angler und Nachtschwärmer.

Zudem dürfte der Erholungs- und Entspannungsaspekt des Angelns wohl völlig abhanden kommen.

Schallwellen die direkt auf den Boden übertragen werden und Erschütterungen dessen verursachen, z.B. von Motoren oder abrutschenden Steinen, werden durch den Boden direkt ins Wasser weitergeleitet und in diesem Fall von den Aalen auch „gehört“.

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