Lebensraum der Aale genetisch vorbestimmt – Besatz sinnlos?

Nicht nur um den europäischen Aalbestand ist es schlecht bestellt. Auch der amerikanische Aal hat erhebliche Probleme. Um dem starken Bestandsrückgang entgegen zu Wirken wurden auch dort verschiedene Maßnahmen gesetzlich festgelegt. So mussten alle Bundesstaaten Managementpläne zur Erhaltung der Aalbestände vorlegen. In allen Bundesstaaten welche dies nicht umgesetzt hatten wurde ein Fangverbot erlassen. Diese Vorgabe betraf auch den Glasaalfang an der Atlantikküste, welcher nun, mit Ausnahme  von Maine, überall an der Ostküste verboten ist. In Maine gibt es aber eine Schonzeit vom 01.Juni bis zu 14. November. Es darf also nur an 70 Tagen auf Glasaale gefischt werden. Zudem sind nur noch bestimmte Fanggeräte z.B. Handkescher erlaubt. Und es gibt eine festgelegte max. Fangquote, sowie eine begrenzte Anzahl von Fanglizenzen. Wird die Quote Überschritten tritt dort ebenfalls ein Fangverbot in Kraft. Probleme gibt es mit noch mit den Ureinwohnern. Alte indianische Stammesverträge garantieren den Ureinwohnern ein uneingeschränktes Fischereirecht, was sich natürlich mit den Regelungen beißt. Daher werden die Diskussionen dort noch recht Kontrovers geführt.

Zuvor hatte man, wie hier auch versucht, durch verstärkte Besatzmaßnamen mit Glasaalen und vorgestreckten Aalen den Aalbestand wieder aufzufüllen. Dieser Besatz in Binnengewässer gilt neuerdings jedoch als ungeeignet und ist kläglich gescheitert. Auch hierzulande steht er in der Kritik der Forschung, allerdings aus anderen Gründen.

Einen weiteren Grund für dieses Scheitern hat jetzt offenbar ein kanadisches Forscherteam der Laval Universität in Quebec, eine der ältesten Universitäten auf dem Kontinent, herausgefunden. Der Gen-Forscher S. Pavey vom Biologischen Institut der Universität und seine Kollegen haben sich gefragt, weshalb einige amerikanische Aale (anguilla rostrata) im Brackwasser verbleiben und andere ins Süßwasser aufsteigen, obwohl sie genetisch zur gleichen Art gehören und auch in das gleiche Laichgebiet ziehen. Weshalb also dann verschiedene Lebensräume?

Sie stellten zudem fest, dass die im Brackwasser verbleibenden Aale überwiegend Milchner sind, schneller wachsen und abwandern, dabei aber deutlich kleiner bleiben. Hingegen Süßwasseraale überwiegend Rogner waren, länger im Gewässer verweilten, langsamer wachsen und dafür deutlich größer werden. Dennoch ziehen später aus beiden Gruppen Aale zur gemeinsamen und einmaligen Fortüflanzung in die Sargassosee.

Bisher glaubte man, dass die ankommenden Hermaphroditen (Zwitter in Wartestellung) sich durch phänotypischen Plastizität (lebensraumbezogenes Geschlecht) in weilbliche oder männliche Aale entwickeln. Hier scheint die Kausalkette jedoch verdreht worden zu sein. Denn was entscheidet denn, ob ein Zwitterwesen weiter aufsteigt und zu einem Weibchen wird, wen es selbst nicht weis was es ist? Der Zufall oder etwas anderes?

Aalforschung im Labor
Aalforschung im Labor

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen untersuchten die Forscher Gelb- und Blankaale an jeweils 8 verschiedenen Brack- und Süßwasserstellen an der kanadischen Atlantikküste und im Einzugsgebiet des St. Lawrence River. Unter Verwendung einer neuen Sequenziertechnologie screenten sie 45.000 Stellen im Aal-Genom. Mit Hilfe von DNA-Markern suchten sie nach genetischen Variationen und fanden 331 Varianten in den SNPs (Single Nucleotide Polymorphism). Mehr als die Hälfte dieser Basispaarvariationen im DNA-Strang fand sich ausschließlich in einer der beiden Lebensräume wieder.  Und zwar 137 Marker für im Süßwasser lebende Aale und 45 Marker ausschließlich in Brackwasseraalen, verteilt auf 99 Gene. Die übrigen Variationen konnten anderen Ursachen z.B. sehr geringe Mutationen, Erbinformationen und anderen Bereichen des noch unveröffentlichten Aal-Genoms zugeordnet werden.

Damit konnten die Forscher Nachweisen, dass es polygenetische Unterschiede in der DNA der Aale sind, die darüber entscheiden, ob ein Aal lieber ins Süßwasser aufsteigt und zum Rogner wird oder im Brackwasser verbleibt (genetisch bedingte Vorlieben). Somit sind Lebensraum und Geschlecht genetisch fixiert und können nicht durch Besatz verändert werden! Die Fixierung erfolgt dabei über das Erbgut eines der Elterntiere und könnte sogar Informationen zum Einzugsbereich beinhalten.

Dies erklärt dann eventuell auch zum Teil, weshalb in Aalfarmen überwiegend männliche Aale für Besatzwecke aufwachsen. Glasaale werden schließlich im Brackwasser gefangen, wo die Milchner bleiben und die Rogner nur durchziehen. Und es erklärt, weshalb die amerikanischen Besatzmaßnamen nicht für die Arterhaltung geeignet waren. Zitat Pavey: „Wir haben festgestellt, dass die Gene des Aals bestimmen, ob dieser Aal im Süßwasser oder im Brackwasser überleben kann.“ Und weiter: „Dies erklärt weshalb manche Bemühungen zum Erhalt der Aale nicht erfolgreich waren, insbesondere da Brackwasseraale ihre Eigenschaften nicht einfach ändern können, um dauerhaft im Süßwasser zu überleben.“

Die Forscher glauben und hoffen, dass Ihre Ergebnisse einen großen Einfluss auf die zukünftigen Strategien bei der Erhaltung der Aalpopulationen haben werden und auch Berücksichtigung finden. Sie bedauern, dass es versäumt wurde, den amerikanischen Aal vollständig unter Schutz zu stellen. Sie schlagen vor, alle Maßnahmen zur Arterhaltung unter Berücksichtigung der Forschungsergebnisse zu den divergierenden Ökotypen zu planen, um ein Scheitern wie bei den Besatzmaßnahmen zu verhindern und die genetische Vielfalt in der Aalpopulation zu schützen.

Für die Forscher bleibt die Frage, warum die Aale so ein komisches Konzept zur Arterhaltung haben. Pavey hält es für eine andere Strategie zur Absicherung der Art. Er und sein Team arbeiten nun daran, dass gesamte Genom des amerikanischen Aals zu veröffentlichen und anderen Forschern für weitere Untersuchungen zur Verfügung zu stellen.

Nachwort:

Ich finde die o.g.  Unterschiede innerhalb der gleichen Art  machen aus evolutionsbiologischer Sicht in jedem einzelnen Punkt Sinn und treffen im Übrigen auch auf den europäischen Aal zu. Da es sich aus Sicht der Evolution um eine sehr alte Art handelt, muss dieser Fisch offenbar etwas richtig machen.

Meiner Ansicht nach werden durch diese Strategie sowohl mutationsbedingte Veränderungen als auch evolutionsbedingte Veränderungen der Art erfolgreich verhindert. Denn, weil Aale nur einmal im Leben ablaichen entsteht in der Sargassosee alljährlich immer nur eine einzige Geschwister- bzw. Zwillingsgeneration. Daher gibt es keine Geschwister unterschiedlichen Alters die in der Sargassosee aufeinander treffen könnten. Um auch zu verhindern, dass Geschwister dieser einen Generation in der Sargassosee aufeinander treffen, wählen Rogner  und Milchner unterschiedliche Lebensräume und damit verbunden unterschiedliche Wanderzyklen. Auf diese Weise treffen die sehr spät abwandernden Rogner einer Generation in der Sargassosee nie oder allenfalls sehr selten auf einen Milchner der gleichen Generation, da diese sehr viel früher wieder abwandern. Auf diese Weise wird Fortpflanzung unter Verwandten Aalen (Inzucht) fast unmöglich und die genetische Vielfalt innerhalb der Art bleibt erhalten. Auch die Tatsache, dass die Rogner in die Flüsse aufsteigen macht Sinn, denn sie müssen sich ein größtmögliches Gewicht anfressen um eine hohe Laicheizahl zu ermöglichen und die Flüsse sind reicher an Nahrung als die Brackwasserbereiche. Große und schwere Rogner sind für die Arterhaltung maßgeblich. Große Milchner würden hingegen nicht mehr zur Arterhaltung beitragen als kleinere Milchner.

Der europäische Aal ist der nächste Verwandte des amerikanischen Aals und es ist daher anzunehmen, dass o.g. Forschungsergebnisse auf den europäischen Aal übertragbar sind. Man darf gespannt sein, was dies für die europäischen Aalmanagementpläne und die darin enthaltenen Besatzmaßnahmen zur Wiederauffüllung der europäischen Aalbestände bedeutet?!

 

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